Auf in die Karibik

Wir haben diesmal alle vier tatkräftig am neunen Blogeintrag gearbeitet. Viel Spass beim Lesen.

Bevor es aber losgeht möchten wir hier nochmal Danke sagen. Ohne unsere Familien, Freunde und Bekannte würden wir  – fern ab der Heimat – manchmal vor unlösbare Probleme gestellt. Vielen Dank liebe Eltern und Schwiegereltern für die alltäglichen Dinge, die in Deutschland noch für uns zu managen sind. Einen großen Danke auch an Segelfreund Jochen, für deine Unterstützung auf den Kanaren und Deine Wettervorhersagen auf dem Atlantik. Danke auch an Alex, der uns bei der Beschaffung eines neuen Laptop super geholfen hat. Alex der neue Rechner ist Klasse!  Danke an Martin für die Karibikarten, die uns sicher weiterhelfen werden. Nicht zu vergessen unser SAVIDAS – Filmteam, die von der deutschen Salami bis hin zum wichtigen Ersatzteil alles zu unseren Treffen im Gepäck haben. Last but not least unsere Freunde und Segelfreunde des 1.SVG e.V., die uns von der Ferne viele Arten unterstützen. Sei es das Sammeln von Webcam Videos, technischer Support oder die Unterstützung in medizinischen Fragen.

Ein großes Dankeschön! Wir sind Euch sehr dankbar für Alles!

Der ARC - Kidsclub

(J) Die ersten Tage auf Gran Canaria waren nicht so spannend. Anfangs waren noch Freunde von uns in der Nähe des Hafens, jedoch haben sie schon nach zwei Tagen diesen verlassen und sind ans andere Ende der Insel gefahren. Somit waren wir fürs Erste wieder alleine. Wir haben die Zeit bis zum Beginn der ARC genutzt, um uns in der Stadt umzuschauen und Einkäufe zu erledigen. Die Tage vergingen wie im Fluge. Als es dann endlich soweit war und die ARC begonnen hat, waren wir alle ganz aufgeregt. Es gab jeden Abend ein Sundowner Treffen, und da habe ich die ersten Kids kennengelernt. Ich habe erfahren, dass es extra einen Kids Ponton gibt. Das ist ein Steg an dem alle Familien Boote liegen. Da wollte ich unbedingt hin, weshalb ich am nächsten Tag zum Hafenmeister bin um zu erfahren, ob wir den Steg wechseln dürfen. Es war nicht so einfach wie gedacht, denn man muss nämlich erst einen Antrag ausfüllen und dann auf eine Antwort warten. Zum Glück bekamen wir diese schnell und uns war es gestattet den Steg zu wechseln.

Das ARC Kids Programm war super. Es gab jeden Tag neue Aktivitäten für uns Kinder, wie zum Beispiel Segeln, Kajak fahren oder auch Reiten. Das hat uns allen sehr viel Spaß gemacht. Dadurch habe ich die anderen besser kennengelernt und neue Freunde gefunden. Wir haben die nächsten Tage nur noch als Gruppe verbracht. Wir sind alle zusammen zum Kids Club und danach baden gegangen. Abends waren wir entweder mit bei den Sundowner Treffen der Erwachsenen dabei, oder auf einen unserer Boote. Die Zeit die Luise und ich mit den anderen verbringen durften war echt schön. Und jetzt, wo wir mitten auf dem Atlantik sind, halten wir den Kontakt.

Proviantieren

(C) Das Thema Proviantierung beschäftigt mich tatsächlich schon mehr als ein Jahr und hat mir oft genug schlaflose Nächte bereitet. Meine Familie scheint nämlich immer entweder hungrig oder nicht satt zu sein. Das Geräusch des Abwaschens verbinden sie gleichzeitig mit dem Klappern der Teller beim Tisch decken. Wobei ich eigentlich froh sein kann, zwei Mädels zu haben und keine pupertierenden Jungs. Nun ja, wir sind in Las Palmas und die Zeit wird knapp. Die Mädels sind mit dem Kidsclub unterwegs und Marko im Wetterseminar. Ich krieche durchs Schiff, öffne alle meine Schapps und mache Inventur. Wir haben noch einiges von der Heimat (Rouladen, Gulasch, Rotkohl, Kartoffelbrei, Lieblingstomatensoße, …) Ich arbeite gerne mit Listen, und so habe ich jetzt für jedes Abteil eine genaue Aufstellung, von Mehl bis Suppe. Um einen Essensplan zu erstellen, lasse ich die Mädels jeweils zehn Lieblingsgerichte aufschreiben. Lende, Lachs und Spinat muss ich leider gleich wieder streichen. Das ist nicht machbar. Alles andere sortiere ich der Frische nach in den Plan. Dazwischen platziere ich einfache Kost, wie Nudelsuppe, Bratkartoffeln, Reis, Gemüsepfanne und co. Hier auf Gran Canaria bei der Hitze und den vielen Aktivitäten, fiel es uns nicht schwer, nur eine warme Mahlzeit am Tag zu essen. War es doch bisher immer ein Kampf, zwei Mal zu kochen. Wir haben ein ordentliches Frühstück, Marko holt immer frische Brötchen und Croissant vom Bäcker. Den Tag über sind wir alle irgendwie unterwegs, abends gibt es dann warm. Das will ich auch bei der Überfahrt so beibehalten. Und so nimmt mein Plan langsam Gestalt an, die Lücken füllen sich und meine Einkaufsliste wächst. Ich plane für vier Wochen, wobei wir nur drei Wochen unterwegs sein werden. Sicher ist sicher. Tatsächlich kauften wir dann doch mehr ein. Marko und ich fahren mit den Scooter zum HiperDino, einen hiesigen Einkaufsdiscounter. Wir lassen gute 300 Euro dort und den Einkauf am gleichen Tag noch bis zum Schiff transportieren. Die Mädels sind im Kidsclub, Marko zum Astro-Sterne-Navigations-Seminar als die Lieferung kommt. Ich stehe ganz alleine da. Die kleinen Mädels vom Nachbarboot helfen, ein paar Dinge aus den Transportboxen zu nehmen. Alles muss bei der Hitze nun mal schnell ins Boot. Die Angst vor Kakerlaken lässt mich zusätzlich die Etiketten entfernen, abwischen und beschriften. Es dauert ewig, bin aber fertig, als die Familie wieder eintrudelt. Diesmal gehen wir was Essen, heute koche ich nämlich nicht.

Zwei Tage vor der Abfahrt kaufe ich Obst und Gemüse. Auch das hat mir schlaflose Nächte beschert. Was hält sich bei welcher Lagerung am längsten? Gewaschen, geschnitten, gekühlt, gehängt, gelegt oder gestapelt? Das Proviantierungsseminar zwei Wochen zuvor ist in den Hintergrund getreten. Hat uns doch hier eine Engländerin die gute Küche erläutert. Da dachten Marko und ich eigentlich nur an Julianes Mushroompie in Dartmouth. Luise und ich erstehen Obst und Gemüse im Wert von 200 Euro. Auch hier: Lieferung am selben Tag bis zum Boot. Ich verzichte auf Ananas, Melone und Trauben, und kaufe grüne Bananen, 2 Stiegen Äpfel, viele Mandarinen, Orangen, Birnen, 15 kg Kartoffeln, Zwiebeln, Zuccini, Blumenkohl, 15 Paprika, Tomaten, Möhren und Gurken. Ich vergesse Zitronen. Als die Lieferung endlich kommt, sind diesmal alle da. Es wird gewaschen, getrocknet, aufgehängt und gestapelt. Ein Wunder, dass alles hineinpasst. Im Salon hängt ein großes Netz mit Äpfeln, Orangen, Mandarinen, Birnen und Gurken. Die Bananen baumeln alleine draußen, die Kartoffeln sind unter den Bodenbrettern. Am nächsten Tag sortiere ich die Äpfel noch einmal um, schön weit weg von. Ich koche das Lieblingsgericht der Mädels vor, Bauerneintopf. Im Kühlschrank liegen fertig panierte Schnitzel, Hackfleisch und Klöpse sind eingekocht. Es kann losgehen!

Die Atlantiküberquerung

(L) Einen Tag vor der Abreise hatte ich schon ein bisschen Angst, aber es war trotzdem schön, noch einmal den letzten Tag zu genießen. Und am Tag der Abreise habe ich mir gewünscht, dass wir doch lieber noch eine Woche bleiben. Naja, hat aber nicht geklappt. Die ersten Tage auf hoher See, waren sehr schlimm für mich, weil es sehr hohe Wellen gab und mir die ganze Zeit übel war. Ich habe dann angefangen, gleich früh eine halbe Reisetablette zu nehmen. Das hat super geklappt. Ich stehe meisten 8 Uhr auf und beginne mit meine Wache, nachts habe ich frei. Dafür bin ich den ganzen Tag an Deck und helfe, während der Rest sich immer mal schlafen legt. Die ersten paar Tage habe ich nicht so richtig gefrühstückt, weil mir andauernd übel war. Ich hatte nunmal keine Lust, bei den vier Meter Wellen herunter zu gehen, um mir essen zu holen. Mama ging es genauso. Nun stellt sich mir die Frage, was ich den ganzen Tag lang machen soll? Eigentlich mag ich nicht gerne lesen, aber ich habe es dann doch versucht. Ich habe angefangen, Harry Potter auf dem Kindel zu lesen. Da ich die Filme alle schon gesehen habe, fiel es mir dann auch leichter, den Text zu lesen. Eine Woche später hatte ich doch tatsächlich schon drei Bücher geschafft. Nach einer Woche wurde auch die See ruhiger. Das Wasser war schön glatt und ich konnte mich auch gut unter Deck bewegen. Mir fiel alles wieder leichter, auch beim Zähneputzen wurde mir nicht mehr schlecht. Nun konnten Juliane und ich sogar auch bei Schieflage einen Film schauen. Ich hatte gedacht, dass auch mal ein paar Tiere vorbei kommen könnten. Da habe ich mich wohl geirrt. Wir haben die ganze Zeit nur fliegende Fische, Vögel und einmal kurz Delphine gesehen. Die fliegenden Fische sehen so aus, wie kleine Feen, die über das Wasser fliegen. Sie fliegen richtig schnell und weit. Nachts sind sie leider auch aufs Boot gehüpft. Papa hat sie dann aufgeräumt. Bei der Überfahrt dachte ich nicht, dass sich die Vögel auch noch so weit draußen aufhalten, war aber süß, mit anzusehen. Einer ist sogar eine Weile mit uns mitgefahren. Auf Schildkröten hatte ich mich eigentlich am meisten gefreut, aber leider nicht eine einzige gesehen.

(M) Die ersten drei Tage auf See waren gelinde gesagt zum Vergessen. Die ARC startet pünktlich, egal was da draußen für Bedingungen herrschen. Aber gut. Zumindest gibt es ein Datum, zu dem man die Leinen lösen muss. Hätte ich die Wahl, würde ich wohl noch ein paar Tage abwarten, bis der Starkwind und die hohen Wellen durch sind. Drei Wochen im Hafen von Las Palmas haben uns wieder an das Leben an Land gewöhnen lassen. Die Organisatoren der ARC machen es uns zudem sehr einfach, die Tage schnell vergehen zu lassen. Zwischen Seminaren, Kinderprogramm, Partys, Papierkram und Arbeiten am Schiff bleibt kaum Zeit über das Bevorstehende nachzudenken. Nun fahren wir raus, das Interesse am Start der ARC ist riesig. Viele Winken und freuen sich für uns. Im Hafen vor uns sind 150 Segelboote und alle halten auf das Kriegsschiff zu, das als Startboot dient. Draußen auf dem Meer kommt uns eine Katamaranfähre entgegengesprungen. Sie schießt mit beiden Rümpfen aus den Wellen, nur um kurze Zeit später wieder in nächste Welle einzutauchen.  „Na super“ denke ich mir und habe nun erstmals eine Vorstellung, was uns da draußen auf See erwarten wird. Claudia, die neben mir im Cockpit sitzt ist grün im Gesicht und mit den Nerven schon vor Beginn der Reise augenscheinlich am Ende. Eine Mischung aus beginnender Seekrankheit und der Erkenntnis, dass es jetzt kein Zurück mehr gibt und wir es zumindest die 1.000 Seemeilen bis auf die Kapverden schaffen müssen. Ich spiele die Situation herunter und zeige Stärke. Erkläre wie lange die Wellen uns noch fest im Griff haben und wann wir einen Kurs einschlagen werden, der uns komfortabel an unser Ziel wehen wird.

Es sollte drei Tage dauern, bis wir halbwegs vernünftige Bedingungen auf See vorfinden werden. Bereits in der ersten Nacht kamen vom Heck her Wellen über, die das Cockpit fluteten. Dabei gelangte auch Wasser in eine der Packskisten und damit ins Schiff. Wir trockneten alles und verstauten die Ausrüstung wieder unter Deck. Ein Blick in den Motorraum ergab, dass auch hier Wasser stand. Der Geschmackstest bestätigte meine Befürchtung. Salzwasser! Das ist wohl von hinten bis in den tieferliegenden Motorraum gelangt. Ich schöpfe das Wasser und merke dabei, dass auch ich bei den Arbeiten mit der Seekrankheit zu kämpfen habe. Es ist frustrierend. Die Wellen kommen mittlerweile zwar von hinten, doch wir sind noch im Einfluss der Insel. Sie sorgt dafür, dass Wind und Wellen eben nicht gerade das machen, was sie sollen – gleichmäßig und stetig unser Schiff nach Süden tragen. Stattdessen schaukelt das Schiff. Die Bewegungen sind so unvorhersehbar, dass es für uns nicht möglich ist, eine warme Mahlzeit zuzubereiten. Es wird also überwiegend kalte Nahrung gereicht. Aber nicht nur das Essen wird zum Problem. Auch an Schlafen ist nicht zu denken. Claudia versucht es mit dem Seestern, ich lege mich an die Bordwand, sodass sie mich abfängt, wenn das Schiff wieder mal unvorhersehbar rollt. 

(C) Mein so mühsam erarbeiteter Speiseplan war bereits am zweiten Tag schon hinfällig. Den Bauerneintopf konnten wir noch essen, dann war Schluss. Die gefühlten zehn Meter hohen Wellen von allen Seiten machten es uns unmöglich Nahrung zu zubereiten. Ich lag wo ich lag und kam ohne Reisetabletten kaum hoch. Mir war übel, sobald ich in der Kombüse stand. Es gab Toast, Obst, Gemüse, Kekse und Müsliriegel, das sollte vorerst reichen. Erst am dritten Tag konnte ich wenigstens mal zehn Minuten in der Küche aushalten. Ich delegierte vorher Schnippelarbeiten an Deck, um dann alles griffbereit zu haben. So gab es dann Kartoffel, Blumenkohl und Schnitzel. Ab diesen Tag nahm ich den Essensplan nur noch als Inspiration und Info, was alles möglich wäre. Gegessen wurde brav nur noch am späten Nachmittag. Beschwerden gab es nicht. Jetzt konnten wir uns auf Königsberger Klöpse, Nudeln mit Paprika, Reis und Gemüse, Spaghetti Bolonese, Senfsoße und Ei, Pizza, Pellkartoffeln, Gulasch, Krautrouladen und Suppe freuen. In der zweiten Woche haben wir unseren Rhythmus gefunden. Meine Wache beginnt vier Uhr morgens. Ich sehe noch den großen Wagen achtern aufgehen. Es ist nie ganz dunkel, der Himmel ist immer zwei Graustufen heller als das Meer. Ich mache Hefeteig und knete alle halbe Stunde ordentlich durch. Pünktlich zum Wachwechsel acht Uhr sind die Brötchen fertig. Dann schnapp ich mir eins nur mit Butter bestrichen und schlüpfe ins Bett. Ich verschlafe den ganzen Vormittag, den Marko mit den Mädels an Deck verbringt. Sie checken den Wetterbericht und senden Nachrichten an die Lieben zu Hause. Mittags bekomme ich dann die Zusammenfassung und kann auch Juliane ein paar Nachrichten diktieren. Ich muss immer noch eine Tablette täglich einnehmen, damit ich gut durch den Tag komme. Auf ein kleines Handydisplay zu schauen oder selber zu tippen, bin ich nicht in der Lage. Die Birnen und der Blumenkohl sind zuerst alle, gefolgt von den Bananen. Diese hängen einfach zu verführerisch in Reichweite. Paprika und Tomaten halten erstaunlich lange. Ich habe sie gewaschen und lagere sie einzeln in Papiertüten unter dem Tisch. Von den 10 Gurken musste ich nur drei dem Meer überlassen, eingeschweißt halten auch diese recht lange. Äpfel und Mandarinen essen wir täglich, diese reichen auch super bis zur dritten Woche. Ich raffe mich auf, wenigstens mal eine Portion Wäsche, und zwar Unterwäsche zu waschen. Heißes Wasser habe ich, der Motor war an. So weicht also unsere Wäsche im Spülbecken so vor sich hin, als Luise bemerkt, dass im Kühlschrank der Curryketchup ausgelaufen ist. Nicht nur so ein bisschen, nein, so richtig dolle. Juliane wringt schnell die Wäsche aus und schmeißt sie in einen Eimer, wir brauchen Platz in der Spüle für den Kühlschrankinhalt. Marko holt mit seinen langen Armen alles heraus, ich schaffe es jedenfalls nicht bis zum Boden des 200 Liter Kühlschranks. Luise wischt alles sauber, ich sortiere neu. Uns ist nach dieser Aktion ganz schön übel. An die Wäsche denke ich erst am nächsten Tag wieder. Ich spüle sie erneut durch und hänge alles auf. Sie riecht muffig. Na toll. Alles wieder auf Anfang. Wir haben ja Zeit. Außerdem hüpfen wir bei der Hitze eh nur sehr leicht bekleidet herum. Wir brauchen also nichts zum Anziehen. Dann lernen wir die Squals kennen. Das sind so miese kleine graue Wolken, die ihren gesamten Inhalt eimerartig über uns ausschütten und das Schiff ordentlich durchschütteln, um es dann in einer Flaute stehen zu lassen. Es kommt einfach keine Ruhe rein. Ständig hüpfen wir dann von einem Manöver zum Nächsten. Segel war oben, dann schnell reffen, Vorsegel doch lieber nach backbord, Motor an, genügend Wind, Motor wieder aus, ab ins Schiff, es regnet. Doch danach werden wir oft genug von schönen Regenbögen belohnt. Wenn wir nachts bei Flaute unter Motor fahren, kann ich im Vorschiff in Julianes Kabine schlafen. Sie schläft nach ihrer Schicht dann mit Luise lieber im Salon. Ich liege also im Bett und werde im Sekundentakt schwerelos. Einmal pro Minute kribbelt es sogar im Bauch. Die Wände neben mir geben bei jeder starken Welle in meine Richtung nach. Das ist schon leicht gruselig.

(M) Es ist laut. Wer denkt, dass Segeln eine leise Fortbewegungsart ist, täuscht sich. Der Wind singt sein Lied in der Takelage, die Wellen rauschen an der Bordwand und die Brecher hinter unserem Heck ummalen das Ganze auf eine bedrohliche Art. Derweil verwindet sich GOOD FELLOW unter dem Einfluss der Naturgewalten um uns herum. Die alten Holzeinbauten knarren unter der Belastung. Ich bin nicht in der Lage irgendwelche komplexen Arbeiten durchzuführen. So müsste zum Beispiel der Genua ausgebaumt werden. Es dauert vier Tage, bis ich mich aufraffen kann, zum Vorschiff zu gehen und sämtliche Leinen, Niederholer und die Schot zu montieren. Mein Blick wandert immer wieder in die Bilge. Das Salzwasser ist immer noch nicht weg. Kommt da noch was nachgelaufen? Da hilft nur ein Blick unter die Bodenbretter in den Achterkabinen und im Heck. Tatsächlich, da läuft noch was! Also nehme ich das Wasser mit dem Schwamm auf und reinige den Motorraum. Zwei Liter sind es etwa. Nicht gerade viel, aber immerhin keine Kleinstmenge mehr. Mich beunruhigt das alles. Schaffen wir es unter den Umständen bis in die Karibik? Wir halten erstmal auf die Kapverden zu. Dort können wir immer noch einen Zwischenstopp einlegen. Aber ob eine Pause auf dem Archipel der Moral schadet? Luise kämpft bereits mit sich. Unter den vorherrschenden Bedingungen möchte sie auf keinen Fall weitersegeln. Claudia und ich besprechen die Lage. Wie schätzen wir die kommende Wetter- und Windsituation ein? Wie sind die technischen Probleme an Bord einzuordnen? Schaffen wir es unter diesen Bedingungen in einem Stück?  Wir warten erstmal ab und verschieben die Entscheidung – Kurs weiterhin Kapverden. Zwischenzeitlich gewöhnen wir uns, wenn man das so sagen darf, an die äußeren Bedingungen. Mit 20 Knoten Wind und zwei Meter Welle kommen wir zumindest schnell voran. 140 bis 150 Seemeilen lassen wir in jeweils 24 Stunden in unserem Kielwasser. Der Segler spricht vom hier vom Etmal. Nur gleichmäßiger werden sie nicht. Das chaotische Wellenbild wirkt bedrohlich auf mich. Und ich kämpfe innerlich einen Kampf mit mir.

Das Meer ist nicht immer tiefblau. Wir haben sehr oft ein graues Meer erlebt. Insbesondere wenn sich die Sonne morgens durch die Wolken kämpft, zeigt sich der Atlantik von seiner rauen Seite. Am Morgen sieht man, welche gigantische Energie im Meer gespeichert ist und wie die Natur in Form der Wellenberge versucht, diese wieder loszuwerden. Unser kleines Segelboot ist diesen Gewalten ausgeliefert. Aber GOOD FELLOW ist seetüchtig und zeigt uns erst jetzt, welche Reserven es hat. Die Windfahne und die ausgebaumte Genua, später auch das am Großbaum ausgebaumt Kuttersegel halten uns präzise auf Kurs. Sind die Segel erst einmal gesetzt und die Windfahne eingestellt, fährt das Schiff selbständig vor dem Wind her. Hier und da muss mal ein wenig an einer Leine gezogen werden, aber prinzipiell sind keine großen Anpassungen nötig. Nur das eindringende Wasser macht mir Sorgen. Es kommt nämlich immer noch was in der Bilge an. Ich nehme all meine Kräfte zusammen und suche, während das Schiff unvorhersehbare Bewegungen macht, die Bilgen nach einer Leckage ab. Bei einer Wassermenge von zwei Litern am Tag keine leichte Aufgabe, da ich hier nicht einem kleinen Rinnsal suche, sondern nach ein paar Tropfen Wasser, die dann erst über eine längere Zeit eine etwas sichtbare Menge ergeben. Und ich werde fündig. Der neue Borddurchlass der Kühlwasserleitung im Motorraum nässt. Ich dichte die Verschraubung mit einem Dichtwachs ab, leere die Bilge von Wasser und warte ab. Tatsächlich wird die Wassermenge in der Bilge weniger. Ich muss zwar immer noch etwas Wasser mit einem Schwamm entfernen, aber es ist mehr als beherrschbar. Aber wird die Schadstelle so klein bleiben und wird mein Provisorium halten? Dieser Gedanke nimmt mich tagelang in Beschlag. Ich bin unruhig.

Claudia und ich hatten zwischenzeitlich beschlossen, die Kapverden nicht anzulaufen und wir änderten geringfügig unseren Kurs nach Westen, doch mein ungutes Bauchgefühl blieb.  „Wer fährt schon mit einem sinkenden Schiff über den Atlantik? Ich muss doch wohl verrückt sein!“ Luise merkte unterdessen, dass wir nicht mehr auf die Kapverden zuhalten und wir mussten sie etwas beruhigen. Die drei anderen Familienmitglieder standen aber hinter der Entscheidung. Insbesondere Juliane war strikt gegen eine Unterbrechung. Wir haben die Sache begonnen, jetzt schaffen wir das auch gemeinsam! Wir lassen die Kapverden auf der Backbordseite liegen. Aber wer glaubt, die Inseln sind dann schnell achteraus verschwunden, irrt. Über Tage bleibt unser möglicher Zwischenstopp in Reichweite. Nämlich so lange, wie wir mit dem Wind die Inseln erreichen können. Erst als wir unseren Kurs weiter nach Westen ändern, werden die Kapverden für uns unerreichbar. Die Tage vergingen und ich muss sagen, dass ich rückblickend in den ersten beiden Wochen kaum Unterschiede in den Tagesabläufen oder äußeren Bedingungen feststellen konnte. Mal gab es mehr Wellen, mal Kreuzseen, mal viel oder weniger Wind, mal war der Himmel mehr, manchmal weniger bewölkt. Ich hole mir täglich über einen Satelliten Internetverbindung die Wetterinformationen auf das Telefon, bin vor allem an den Wellenbildern interessiert und freute mich, wenn Tage mit gleichmäßigen Wellen vor uns liegen. Dabei relativiert sich das Empfinden für die See. Noch in der Biscaya hätte bei 2,50 Meter Wellen feuchte Hände bekommen. Nun sind diese Wellenhöhen ein Grund für gute Laune an Bord, da das Schiff weniger rollt. Doch als der Nordatlantik vier Meter hohe Wellen in den Süden schickt ist auch hier wieder ein Punkt erreicht, bei dem meine Aufregung stieg. Ich schreibe kurzerhand eine Email an ein anderes Schiff der ARC Flotte, die eine Wetterouting von einem deutschen Wetterunternehmen gebucht haben und frage nach deren Meinung zur den bevorstehenden Wellen. Die Antwort war kurz: „Mach Dir keine Sorgen, die Wellen in der ersten Nacht bei Gran Canaria waren „scary“ (engl.: furchteinflößend)“.  Der ARC Skipper sollte recht behalten. Der Wind und die Wellen sind untrennbar miteinander verbunden. Ohne Wind keine Wellen und umgekehrt. Und so ist bald klar, dass der Passatwind, der mit 15 bis 25 Knoten weht, auch eine spürbare Windsee aufbaut. Aber um fortzukommen benötigen wir diese Windstärken auch. Am besten fährt GOOD FELLOW bei 16 – 20 Knoten vor dem Wind. Das Schiff klettert die Wellen hinauf und surft hinunter. Eine konstante Geschwindigkeit gibt es nicht. Diese ändert sich alle paar Sekunden zwischen 5 und 9 Knoten – je nachdem ob man sich auf der Welle oder im Wellental befindet. Der Wind sorgt dafür, dass bei allen Geschwindigkeiten genügend Druck im Segel ist und das Schiff stabil fährt. Zum Einsatz kommen in unserem Fall hier nur die Genua, die an einem Spinnaker Baum quer zum Schiff ausgebaumt ist und eine Kuttersegel, welches wir mit dem Großbaum zur anderen Seite spiegelbildlich angebracht ist. Wenn der Wind zu stark wird, merkt man das zunächst an der Geräuschkulisse. Es wird laut. Die Wellen rauschen am Rumpf vorbei und bilden weißen Schaum beidseits des Schiffes. Ein Blick auf die die Geschwindigkeitsanzeige verrät – wir sind zu schnell! Werden wir zu schnell, droht die Gefahr quer zu schlagen. Das heißt, das Schiff kommt vom Kurs ab und fährt letztlich quer zum Wind und Welle. Bei 20 Knoten Wind und mehr, ist das keine angenehme Situation. Wir reffen also, die Genua kann vom Cockpit aus eingerollt werden. Das Kuttersegel kann mit Reffleinen, die sich horizontal im unteren Drittel des Segels befinden, kleiner gebunden werden. Dafür muss man allerdings ins Vorschiff, um dort einen Großteil der Arbeiten per Hand die Arbeiten zu erledigen. Aber auch diese neuen Aufgaben spielen sich nach anfänglichen Problemen in Bezug auf die Abläufe des Reffens und Kommunikation vom Vorschiff ins Cockpit in unserer Familiencrew ein. So könnte es bis in die Karibik weitergehen. Aber die Natur denkt nicht daran, uns drei Wochen lang einen Passatwind zu schenken.

Nach zwei Wochen auf See ändert sich die Großwetterlage über weiten Teilen des Nordatlantik. Der Passatwind wird gestört. An der amerikanischen Ostküste bildet sich ein tropisches Tiefdruckgebiet. Der Passatwind schläft mehr und mehr ein. Und es kommt noch schlimmer. Der Wind ändert die Richtung. Ab der dritten Woche auf See kämpfen wir entweder mit Flauten oder Westwind. Dazu kommen die Squals, von denen wir in den ersten beiden Wochen verschont geblieben sind. Squals sind räumlich begrenzte Regenzellen. Die Wolken sind fast schwarz und tragen tausende Tonnen an Wasser mit sich. Durchquert man eine solche Zelle, darf man sich auf sinnflutartige Regenfälle einstellen. Hinzu kommen massive Änderungen in der Windrichtung und Windstärke. In unseren Fällen waren es immer zirka 90 Grad und Windgeschwindigkeiten um 25 Knoten.  Es gab Tage, da hatten wir Tag und Nacht mit mindestens 10 dieser Squals zu tun. In jedem Fall hieß das: Reffen oder Segel runter, Motor an, Wende fahren, Autopilot bzw. Windfahne umstellen, Cockpit leer räumen usw. Wir bekamen keine Ruhe in den Tagesablauf. Dazu kam die Nässe – alles war nass. Vor allem die Kissen und Decken im Cockpit und natürlich wir selber. Nach jedem Starkregen … Wir hatten Glück, dass gerade Vollmond war und sich die See und der Himmel nachts vom Mond beschienen wurden. So konnten wir auch in der Nacht die Squals lokalisieren, ohne unser Radargerät unter Deck einschalten zu müssen. Mitten auf dem Atlantik, eine Woche vom nächsten Festland entfernt fiel es mir extrem schwer, motiviert dem Ziel entgegenzusteuern. Es gab Stunden, in denen wir vom Ziel weggefahren sind, anstatt darauf zu. Ist man durch einen Squal hindurch gefahren und es wurde wieder heller über dem Schiff, tauchte am Horizont das nächste schwarze Regengebiet auf. Ein Alptraum. Ich war froh, dass Juliane an meiner Seite war und mich während der gesamten Zeit, insbesondere bei Nachtwachen unterstützt hat. Als Vater-Tochter-Team meisterten wir viele dieser extremen Ereignisse gemeinsam. Aber ein Ende dieser Situation war nicht in Sicht. Vier Tage sollten wir uns mit diesen extremen Wettersituationen herumschlagen, dann setzte sich besseres Wetter durch und mit ihm die nächste Flaute.

Ich hole täglich das Meerwasser aus der Bilge, es bleibt wenig aber es läuft beständig weiter durch den Borddurchlass, erst als wir in die Flaute kommen, kommt kein Seewasser mehr nach. Ich habe meinen Frieden mit der Situation gefunden und überlege welche Ursache die Leckage haben könnte. Ich hatte die Borddurchlässe erst im Frühling erneuert. Es war noch ziemlich kühl draußen. Vielleicht hat die Temperatur eine Rolle gespielt und das Dichtmittel schlecht härten lassen? Und dann die Bewegungen im Schiff. Man merkt dem Schiff an, unter welchen Belastungen es durch die Wellen gleitet. Der Rumpf verwindet sich und passt sich den äußeren Kräften an. Man merkt das, indem man den Rumpf berührt und spürt wie sich die Bordwand bewegt. Auch die Holzeinbauten quittieren die Belastung mit einem knarzen bei jeder Rollbewegung. Bei Flaute ist Ruhe im Schiff. Ich gehe also mal davon aus, dass auch die Verformungen des Rumpfes das Eindringen des Meerwassers begünstigt hat. Der Mangel kommt mit auf die Reparaturliste. In der Karibik schauen wir uns das genauer an. Die Nächte sind unbestritten das Beste an der Reise über den Atlantik. In den ersten Wochen waren die Nächte stockdunkel, der Nachhimmel wolkenfrei. Der Sternenhimmel zeigte sich in einer Pracht, die unbeschreiblich ist. Man sieht die Sternenbilder auf- und untergehen. Der Orion im Osten, der große Wagen im Norden. Alles dreht sich um den Nord- Polarstern. Je weiter wir nach Süden kommen desto kleiner wird der Winkel von der Wasseroberfläche zum Nord-Polarstern und der Große Wagen verschwindet schonmal hinter dem Horizont. Juliane und ich suchen Sternenbilder, Planeten, Sternenschnuppen, Satelliten und Flugzeuge am Nachthimmel. Bei der Fülle an Sternen gab es jede Nacht etwas Neues zu sehen. Und so vergeht jede Nachtwache doppelt so schnell. An der dritten Woche übernimmt der Mond das Kommando am Nachhimmel und überstrahlt die Sternenpracht. Nur die hellsten Sterne und Planeten können sich gegen das Mondlicht durchsetzen. Der Mars zum Beispiel. Sein rotes Licht überragt alles und bietet dem Mond Paroli. Das Mondlicht taucht das Meer in ein geheimnisvolles Licht. Die Konturen und der Meeresoberfläche bilden sich ab und in den Wellen spiegelt sich das Mondlicht. In der Flaute überwiegen diese Spiegelungen und die See zeichnet sich mit samtweich um uns herum ab. Höhepunkt der Mondnächte sind aber zweifelfrei die Auf- und Untergänge. Ähnlich wie die Sonne schein der Mond rot, wenn sein Licht auf langem Weg durch die Atmosphäre bis zu uns durchdringt. Das alles könnte perfekt sein, wenn da das Motorengeräusch nicht wäre. Die Maschine kommt leider viel zu oft zum Einsatz und das wird auf dem letzten Drittel unserer Reise zum Problem. Wir haben nämlich nur begrenzte Mengen Diesel an Bord. Der Tank von GOOD FELLOW fasst 150 Liter und in Kanistern haben wir noch weitere 80 Liter dabei. Wir können damit gut 90 Stunden motoren und eine Strecke von gut 400 Seemeilen überbrücken. Zu Beginn der dritten Woche haben wir noch 800 Seemeilen vor uns und die Flaute steht uns bevor. Ich überlege mir, wie wir einigermaßen mit dieser Situation umgehen können, um trotz des Dieselmangels in Richtung Ziel zu kommen. Südlich unserer Position soll nach den Wettermodellen länger ein beständiger Wind wehen. Dazu müsste man einen großen Bogen fahren. Ich entscheide mich recht zeitig bis auf den 14. Breitengrad und später bis fast auf den 12. Breitengrad herunter zu fahren und jedes Windfeld auszunutzen. Auf der Landkarte oder der Wetterkarte lassen so schöne Pläne schmieden. In der Realität bedeuten jeder Breitengrad 60 Seemeilen zusätzlichen Weg und das gleich zweimal, denn wir müssen schließlich wieder zurück auf unseren normalen Kurs. Zu weit südlich fahren macht für uns keinen Sinn, denn die Zeitersparnis wird mit jedem südlicheren Breitengrad eher weniger. Wir schlagen uns tapfer durch, segeln und motorsegeln soweit wir können. Wenn der Motor gestartet wird, lassen wir ihn mit geringer Drehzahl laufen. Damit kommen wir zwar nicht sonderlich schnell voran, aber wir sind immerhin in Bewegung. Auf keinen Fall möchte ich mit leerem Tank dastehen und inmitten auf dem Ozean auf Wind warten. Und so überholen uns wieder einmal die anderen Segler, die auch auf unserem Breitengrad unterwegs sind. Aber das sind wir ja schon gewohnt. Dem Skipper grämt es trotzdem und er beschließt GOOD FELLOW mit einem neuen, schnelleren Propeller auszustatten. Die Fahrt hinterlässt bei den Seglern nicht nur mentale Spuren, sondern auch welche an Schiff und Technik. Neben dem undichten Ventil ist in unserem Fall bisher gar nicht so viel in die Brüche gegangen. Wir haben zum Beispiel überall Flugrost. Hier und da gibt es kleine Rostflecken, die mit ein bisschen Politur und einem Putztuch wieder beseitigt werden können. Außerdem sammelt sich überall Salz an, das man auskristallisiert sogar zum Würzen seines Essens hernehmen könnte. Ich gehe also regelmäßig übers Schiff und schaue mir alles genau an. Da auch das stehende Gut vom Flugrost betroffen ist, putze ich hier und da ein bisschen und kontrolliere alle wichtigen Baugruppen. Drei Tage vor dem Ziel mache ich eine weitere besorgniserregende Entdeckung. An einem Unterwant, was dem Mast im unteren Drittel nach hinten hin abspannt, ist eine Ader des Stahlseils gebrochen. Kein gutes Zeichen.  Da die Segel unten und wir unter Maschine unterwegs sind, besteht erstmal keine akute Gefahr. Aber wenn wir segeln, dann sollte der Want in keinem Fall brechen. Wegen des Schadens schlafe ich wieder schlecht und überlege mir eine Lösung, wie ich das Want bis nach Saint Lucia mit Bordmitteln verstärken kann. Am nächsten Morgen überbrücke ich die Schadstelle mit einer hochfesten reckarmen Polyesterleine und fünf Kabelschellen. Zu Sicherheit werden wir nun noch mit angezogener Handbremse die letzten 300 Seemeilen zurücklegen. Trotzdem bin wieder beunruhigt. Wir haben erst ein halbes Jahr hinter uns, und die Stahlseile geben schon ihren Geist auf. Was soll dann auf der Rücktour werden? Ich beschließe, mich auch dieser Thematik in der Karibik grundlegend zu widmen. Der Wind kehrt schließlich zurück. Und das genau zur richtigen Zeit, denn unsere Dieselvorräte betragen nur noch 20 Liter. Wir setzen den Blister. Gleich zu Beginn haben wir aber auch mit dem Segel Ärger. Das Fall, welches das Segel am Masttop hält reißt plötzlich mitten in der Nacht. Der Blister treibt längsseits im Wasser. Mit den zweiten Fockfall können wir ihn wieder aus dem Wasser ziehen und setzen, dann wird der Wind nach 24 Stunden Fahrt zu stark. Bei 16 Knoten Wind beschließe ich, das Leichtwindsegel zu bergen. Es ist der 23. Segeltag um 4 Uhr Bordzeit. Claudia, die gerade ihre Wache antritt, holt mit mir das Segel ein und das ist bei den Geschwindigkeiten gar nicht so einfach. Der Bergeschlauch des fast 90 Quadratmeter großen Blisters lässt sich nur mit Mühe über das Segel ziehen. Schließlich gelingt uns das Manöver und wir fahren unter Genua weiter.

In der letzten Nacht verabschiedet sich der Atlantik von uns, nicht ohne nochmal zu zeigen, zu was er allen im Stande ist. Wir erleben einen Squal der es in sich hat. Hinter uns wird es dunkel. Trotz der Nacht sehen wir die dunkle Wolke auf uns zu kommt. Dann kommen der Wind, Welle und Regen. Über vier Stunden ertragen wir das Wetterereignis und verfahren unseren allerletzten Diesel. Dann kommt ein Gewitter auf. Die Blitze erstrecken sich hinter uns, bleiben in den Wolken, kommen aber bedrohlich näher. Wieder wandert die Elektronik in den Backofen und die Blitzschutzanlage wird am Mast montiert. Zu Julianes und meiner Erleichterung bleibt das Gewitter hinter uns. Das Wetter bessert sich schließlich, Wind und Wellen beruhigen sich und wir können schließlich Segel setzen.  Die Nacht brennt sich in unsere Gedanken. Ein Wahnsinn.

Kurz vor dem Ziel, die Insel St.Lucia erstreckt sich bereits deutlich vor uns, reißt das zweite Mal das Fall des Blisters bei 16kn Wind. Nun gab es kein Ersatz mehr. Wir zogen den Blister an Bord und fuhren mit Genua die letzten Seemeilen zum Norden der Insel. Nur noch eine Kurve, dann sind wir da. Das Grün der Insel ist überwältigend, aber wir haben gar keine Zeit, uns mit unserem Umfeld zu beschäftigen. Bereits in der Rodney Bay bucht kommen und mehrere Schlauchboote der ARC Flotte zur Begrüßung entgegen. Wir fahren über die Ziellinie direkt in die Marina. Dort steht das zweite Begrüßungskomitee am Steg und empfängt uns lautstark. Mit uns gehen die Gefühle durch.

Wir haben den Atlantik überquert.

Strecke: 3.000 sm

 

Dauer: 20.11.2022 – 14.12.2022 , 25 Tage auf See

30 Kommentare zu „Auf in die Karibik“

  1. Hallo ihr Lieben,
    gerade haben wir voller Spannung euren Bericht gelesen.
    Das habt ihr super hinbekommen! Wir sind echt begeistert!
    Wir wünschen euch weiterhin viele schöne Erlebnisse und immer ne Handbreit Wasser unterm Kiel!
    Liebe Grüße von Thomas und Regina

  2. Ilona und Thomas

    Hallo Marko, Claudia, Luise und Juliane,
    tolle Leistung und unsere Bewunderung dass Ihr das zu viert geschafft habt. Wir erinnern uns gern an Sommer 2020, eine ruhige Nacht am Anker vor der Westküste von Hiddensee, Ihr wart bei uns an Bord. Nun ist uns das eingefallen und wir haben mal kurz nach Euch gegoogelt… Eine tolle Überraschung!
    Frohe Weihnachten und alles Gute im neuen Jahr, vor allem für Eure Rückreise!
    Ilona, Thomas, Franzi und Niko

    1. Hallo Ilona und Thomas,

      klar, wir erinnern uns an den Abend mit Euch. Es war toll vor Hiddensee zu ankern. Das haben wir jetzt hier jeden Tag. Vor Hiddensee war es aber was besonderes…. Viele Grüße zurück Marko und Familie

  3. Ingrid & Jochen

    Seemannschaft das ist einer auf dem Vorschiff , der auch bei drei Meter Welle noch sicher nach vorn geht , um eine Leine zu klarieren ,ein Rudergänger , der Nachts auf dem Ozean noch Kurs halten kann und der Vorschoter , der die Fäden im Segel versteht. Natürlich auch der Navigator der die nächste Wetterfront und alle Riffs sicher im Blick hat. Unterm Strich ist Seemannschaft die Summe aller Fähigkeiten und Begabungen einer Crew. Wenn alle zusammenhalten und das Boot heil sein Ziel erreicht hat, dann ist das gute Seemannschaft. Unbekannter Verfasser
    In dem Sinne unser grenzenloser Respekt !
    Jetzt erstmal ein Schönes Weihnachtsfest und einen guten Rutsch in ein gesundes neues Jahr.
    Das alles unter Palmen — traumhaft

  4. Hallo ihr vier Weltenbummler,
    melde mich erst jetzt, musste Euren spannenden Bericht mehrfach lesen. Habe mehrfach beim lesen Gänsehaut bekommen.
    Große Leistung! Einfach Toll, meine Hochachtung.
    Wünsche Euch frohe und erholsame Weihnachten und anschl. eine schöne Zeit in der Karibik.
    Viele Grüße aus Westfalen
    Hermann-J.

  5. Euer Bericht nötigt mir höchsten Respekt, für das was Ihr geleistet habt. Erholt Euch gut und bleibt gesund. Übrigens, Zitronensaft ist gut gegen Flugrost.
    Ich wünsche euch schöne Weihnachten und und noch viele schöne tage und Eindrücke.

    Liebe Grüße aus Merseburg Thomas Hera

  6. Hallo ihr Vier,
    schöne Grüße aus Niederbayern.
    Ich wünsche Euch schöne Weihnachtsfeiertage und einen guten rutsch ins neue Jahr wie man bei uns so sagt, immer eine Handbreit Wasser unter dem Kiel und ordentlich Wind in den Segeln….
    Bleibts gsund und Munter und genießt die Freiheit tun und lassen zu können was man will…..

    Woife

  7. Hallo Atlantik Bezwinger,
    Gratulation zur Überquerung! Vielen Dank für die tollen Berichte. Erholt Euch gut nach den Strapazen. Für Freude und gutes Wetter für den weiteren Törnverlauf. Bin auf die nächsten Berichte und Fotos gespannt.
    Mast- und Schotbruch,
    Bruno

    1. Danke Bruno, wir werden berichten. Das Segeln ist hier zwischen den Inseln auch sehr anstrengend. Wir sind eben auf dem Atlantik.

  8. Hallo Ihr Good Fellows,
    Nachdem wir Euren umfassenden Bericht 3 x gelesen haben (ist sooo packend geschrieben), hier nun
    unser Kommentar:
    endlich geschafft, nach knapp einem Monat nur auf dem Wasser.
    Das war verdammt mutig von Euch und hat bestimmt sehr viel Kraft gekostet, aber auch verdammt viel Spaß gemacht.
    Wir sind stolz auf Eure Glanzleistung,
    Ruht Euch ein wenig aus, bevor Ihr die Karibik unsicher macht, bringt das Boot in Ordnung, denkt an genügend Essen, auch Futter für den Diesel.
    Warten schon auf den Blog dann als Karibikpiraten.
    Das Elisenteam

  9. Familie Pietsch

    Hallo ihr 4 Weltenbummler,

    Ich lasse mal ein paar winterliche Grüße hier liegen. Wahnsinns Story, dir ihr da erlebt. Größten Respekt!!!

    Die 4 Pietschies aus Großkorbetha

    Ich hoffe ihr habt genug Zahnbürsten mit 😉

    1. Hallo liebe Familie Pietsch,
      ja wir haben genug dabei. Leider sind unsere Zähne im Vergleich zu den Zähnen der Einheimischen nicht ganz so weiß. Wir arbeiten aber daran, den Kontrast zu verbessern. Weihnachten legen wir uns aus diesem Grund zum Bräunen an den Strand. Liebe Grüße Claudia und Crew

  10. Hallo ihr Weltenbummler,
    schön , dass ihr die Überfahrt so gemeistert habt. Habe jeden Tag nachgeschaut, wie ihr voran gekommen seid. Für die nächsten Abenteuer in der Karibik wünsche ich euch noch viele schöne und spannende Erlebnisse. Bleibt vorallem schön gesund und munter. Ich grüße euch ganz lieb, Ilona

    1. Hallo Ilona

      vielen Dank für Deine Nachricht. Wir geben uns Mühe, hier viel zu erleben! Viele Grüße nach Hause! Marko und Familie

  11. Tolle Schilderung, ich versetze mich in dich rein und bin froh, manche Entscheidungen nicht treffen zu müssen. Habt ihr gemeinsam gut gemacht und zeigt, was ein Team alles schaffen kann. Erholsame Weihnachtstage und alles Glück der Welt im neuen Jahr.
    VG an die gesamte Crew von Kornelia

  12. Tolle Leistung, Ihr vier, Anerkennung und Hochachtung. Euer Blog super geschrieben, waren gefesselt beim Lesen.
    Genießt jetzt die schönen Momente mit dem Erfolg im Nacken.
    Schöne erholsame, wahrscheinlich mal ganz andere Weihnachten wünschen
    Harald und Astrid

  13. Hallo alle zusammen
    Voller Spannung habe ich Euren Bericht gelesen 👍 Hochachtung 👍 Anerkennung und Gratulation 👍👍
    Das ist das, was ich als Erstes sagen kann👍👍
    Es ist eine wahnsinnige Leistung 👍
    Alles andere später
    Schöne Grüße
    Von Roland und Familie aus Krumpa

  14. Gratulation,
    beim Lesen laufen einem ja richtige Schauer über den Rücken! Vielen Dank für den Bericht und erholt Euch gut von den Strapazen.
    Viele Grüße von der anderen Seite des Atlantiks!

  15. Hallo ihr Lieben vier…ich bin noch völlig fertig nach dem.lesen eures Blog….eine Beruhigung das Geschilderte ist überstanden…was ihr erlebt und gemeistert habt…mir fehlen die Worte. Wünsche euch von ganzen Herzen dass es problemlos weiter geht und alles alles gut klappt.Passt auf euch auf, bleibt gesund und herzlichst gegrüsst und gedrückt von Veronika u Fam

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